Dem Boandlkramer in die Karten gschaut Dem Boandlkramer in die Karten gschaut

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Am Donnerstag, den 12.07.2012 beeindruckte die Theatergruppe des RSG, erstmals unter Leitung von Wolfram Steininger, mit dem bayerischen Klassiker „Brandner Kaspar- A Leb’n, wie’s ohne Beispiel is auf dera Welt“. Auf der Bühne begeisterten dabei Schüler aller Altersstufen, Abiturienten neben Fünftklässlern.
Neunzig Jahre, genau wie sein Vater selig: Das handelt der Brandner Kaspar (Alessandro Scheuerer) nach zwölf Stamperln Kerschgeist und einem gewonnenen Kartenspiel mit dem Tod (Claudia Neumeier) aus. In den Augen des Himmelspförtners Petrus (Matthias Gruber) eine Katastrophe. Dies sind nämlich 18 Jahre zu viel. So einen Schnitzer muss der Boandlkramer umgehend ausbügeln, „sonst staubt’s“.
Doch wie kam es zu dem Kuhhandel? Der hoch verschuldete Kaspar Brandner soll auf der Jagd von einer Kugel getroffen und vom Tod in den Himmel gekarrt werden. So lautet die Weisung der „obersten Inschtanz“, denn: „So ist es aufgesetzet“. Der Schuss aber streift den Kaspar nur und der Boandlkramer hat ein Problem: Wie den Kaspar dennoch ins Jenseits befördern?
Alessandro Scheuerer als Kaspar spannt mit seinem starken und facettenreichen Spiel den großen Bogen: Zwischen dem einerseits abgebrühten Charakter des 72-jährigen Brandner und dessen andererseits jugendlicher Diesseitigkeit. Wer schon könnte so frech den Tod zu einem (kersch-) geistreichen Kartenspiel um die Verlängerung des Lebens überreden? Seinen jenseitigen Widerpart findet Scheuerer in Claudia Neumeier, die als „Boandlkramer“ subtil und hintergründig die stetige Präsenz des Todes verkörpert. Aber den kann der Brandner noch gar nicht brauchen, muss er doch für seine Enkelin Marei (charmant und charakterfest Anna-Lisa Trosbach) mit allen Mitteln das „Güt’l“ erhalten.
Glücklich dem Kramer vom Karren gesprungen, begeht Kaspar seinen 75. Geburtstag im Kreise der Dorfgenossen. Bürgermeister Senftl (burschikos Anna Lachhammer) hält lobhudelnd eine Gratulationsrede auf den Jubilar, dessen Hof er am liebsten pfänden würde. Tante Theres (geheimnis-krämerisch Lea Raith) mutmaßt hinter vorgehaltener Hand, der Kaspar stehe womöglich mit dem Teufel im Bunde. Das untermauert sie besorgt, indem sie auf seltsame Vorkommnisse anspielt.
Diese Plattform kostet Alessandro Scheuerer als Kaspar mit großer Spielfreude aus. Er sinniert zunächst über sein betagtes Dasein, nur um im nächsten Augenblick seine düsteren Gedanken als „Derblecken“ zu enthüllen. Gerade in solchen Szenen mit jähen Stimmungswechseln leuchtet Regisseur Steiningers Leitidee auf, die Gegensätze des menschlichen Lebens herauszuarbeiten.
Sogar bei der ausgelassenen Geburtstagsfeier gibt es Streitigkeiten: Zwischen dem verwegenen Wilderer Flori (handfest Christina Petrovic) und dem Pfennigfuchser Simmerl (deftig gespielt vom dialektalen Urgestein Benedikt Zollner). Die beiden sind nämlich doppelte Konkurrenten: ums Recht und um Brandners Enkelin Marei. Während Flori durch seine Wilderei dem Brandner bei der Schuldentilgung geholfen hat, „kämpft“ der Prinzipienreiter Simmerl verhängnisvoll für „Recht und Ordnung“. Er inszeniert einen Jagdunfall, bei dem aber nicht der Flori, sondern unplanmäßig die angebetete Marei ins Jenseits befördert wird.
Nun hat der Boandlkramer ein weiteres Problem: Vor Petrus, dem „Portner“, muss er nicht nur Brandners Ausbleiben, sondern auch Mareis verfrühtes Eintreffen im Himmel rechtfertigen. Hier brilliert Claudia Neumeier einmal mehr als schleichende und gleichzeitig bemitleidenswerte Grenzgängerfigur zwischen den Welten.
In starkem Kontrast dazu steht das bunte und frohe Treiben im Himmel mit den Karten- und Weißwurschtspezln Nantwein und Thurmair (himmlisch leicht Stefanie Groß und Lea Raith). Benedikt Zollner als selbstverliebter Erzengel Michael trägt auch in seiner zweiten Rolle im Stück zur Erheiterung bei. Noch mehr lässt es Matthias Gruber als Petrus krachen, vor allem, als er durch den „Fraunhofer“ (Fernrohr) sieht, wie Brandner immer noch auf Erden weilt. Stimmgewaltig lässt er die Rollerblade-Engel auffahren und dann am kleinlauten Boandlkramer seinen Zorn aus.
Der verlädt den Brandner Kaspar daraufhin endgültig auf seinen Karren und bringt ihn zur Himmelspforte. In der befreienden Schlussszene dominieren Leichtigkeit und Freude. Auf die irdische Schwere verzichtet Brandner nun gern. Bleibt noch die Frage, ob er bei seinem Sündenregister nicht erst ins Fegefeuer muss. Die Heilige Dreifaltigkeit samt Maria meinen „nein“, wie Petrus und Marei mit ansteckendem Lachen vermelden.
Verdienter Applaus belohnte die junge Truppe unter Wolfram Steininger, dem es gelungen war, ein gut gewähltes Stück bildstark, flott und mit viel Abwechslung zu inszenieren.